Essay: Wien wartet auf uns vor dem Sonnenaufgang

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Stell dir vor, es ist der 16. Juni des Sommers ’94..

Wir treffen uns, es ist eine Zufallsbegegnung auf einer Zugfahrt und fast wie in einem Film. Wir sind uns fremd und doch erkenne ich dieses Glitzern in deinen Augen, das mir sagen wird, dass du einen Plan hast. Gemeinsam durch Wien schlendern, bevor die Sonne aufgeht: Ein Kuss auf dem Jahrmarkt, ein paar weitere, während wir uns ins Gras legen, ein Wahrsager, der uns die Zukunft voraussagt, ein Mann, der uns ein Gedicht schreibt, du und ich in dieser Bar, die so tut, als würden wir uns nicht gerade verlieben.

Der Himmel leuchtet in Pastellfarben, deine Augen treffen meine und wir schauen beide weg, in der Hoffnung, dass der andere es nicht bemerkt. Wie du mir eine Strähne aus dem Gesicht streichen willst, dich aber nicht traust. Und es sind genau diese kleinen Momente, in denen mein Herz leise klopft und ich diese geprägten Gesichtszüge kenne: kantig, klar, strukturiert und irgendwie markant: Ich konnte sie nicht ignorieren.

Oh, baby with your pretty face
Drop a tear in my wineglass
Look at those big eyes
See what you mean to me
Sweet cakes and milkshakes

Langsam schlenderst du neben mir her, stellst mir Fragen über das Leben und das Universum und wie es sein kann, dass wir uns hier gefunden haben. Ich fühle alles, was du sagst. Höchstens die langen Blicke, die niemand außer uns verstanden hat. Vielleicht überschlagen wir uns, weil unsere Herzen so viele Purzelbäume schlagen. Das zwischen uns ist zu groß, um von mir allein gefühlt zu werden. Da ist dieses Lichterchaos. Dieses Schwindelgefühl. Das Leben in traumhaften Farben, die sich anfühlen, als würde man abheben. Es war schwül für einen Sommerabend, nicht nur in der Luft, sondern auch tief in mir.

I am a delusion angel
I am a fantasy parade
I want you to know what I think
Don’t want you to guess anymore
You have no idea where I came from
We have no idea where we’re going

Unsere Anwesenheit gibt mir das Gefühl, dass wir ewig sein können, was wir natürlich nicht sind, denn wir leben in Körpern aus Sternenstaub, die am Ende sowieso zerfallen werden. Aber das hier war unendlich. Es war mir egal, dass es – rein logisch gesehen – keinen Sinn ergab. Aber wen kümmerte das schon? Wir waren beide Schriftsteller. Dichter. Freidenker. Fakten, Zahlen und Rationalität konnten uns weniger interessieren.

Lodged in life
Like two branches in a river
Flowing downstream
Caught in the current
I’ll carry you, you’ll carry me
That’s how it could be
Don’t you know me?
Don’t you know me by now?

Und ich habe wirklich das Gefühl, dass ich dich kenne. Dies ist unsere Tagtraum-Illusion, also lass uns nicht darüber nachdenken, wie sich unsere Wege wieder trennen, denn ich möchte, dass du bleibst, hier in der Unendlichkeit der Möglichkeiten: Du schaust mich an, ich schaue dich an, niemand zuckt zurück. Eine Ewigkeit blinzeln wir uns an: Nackte Gesichter, pochende Herzen. Endlosigkeit in der Endlichkeit.

Dies ist der Weg zu einem Anfang. Ganz sicher.

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